Dass Mode mehr für mich ist als bloßer Konsum oder Statussymbol, das ist vielleicht in der Kürze meines Bloggerdaseins noch nicht vollständig an Euch transportiert worden, möchte das aber mit den nun folgenden Zeilen weiter vertiefen.
Vor ein paar Tagen habe ich auf Wunderweib.de einen interessanten Artikel gelesen und mir die dazu gehörigen YouTube Videos angesehen. Das Gezeigte hatte mich nachdenklich gestimmt und meine Gedanken werde ich nun mit Euch teilen.
Die norwegische Tageszeitung „Aftenposten“ hat drei junge Modeblogger (Anniken Jorgensen, Frida Ottesen, Ludvig Hambro Dybsand) nach Kambodscha geflogen, damit diese sich vor Ort ein Bild von dem Leben einer Schneiderin in einer der unzähligen Textilfabriken machen können. Ein Unternehmen hatte als einziges eine Drehgenehmigung erteil und den Dreien das Mitarbeiten möglich gemacht. Diese Fabrik ist ein recht kleiner Betrieb in dieser Branche und noch verhältnismäßig human in seinen Arbeitsbedingungen, was vielleicht auch der Grund für die etwas unübliche Offenheit den Medien gegenüber sein mag. Unter anderem werden dort auch Kleidungsstücke gefertigt, die wir in jeder Mango Filiale kaufen können und die für viele von uns auch erschwinglich sind.
Und da sind wir schon den Aha-Erlebnissen der drei jungen Fashionbegeisterten angelangt. Die junge Frau, bei der sie für die Zeit ihres Aufenthaltes wohnen dürfen, lebt nach europäischen Maßstäben mehr als bescheiden. Ein kleiner Wohn-Schlaf-und Kochraum, ein winziges Bad in einer Nische mit Loch im Boden für den Toilettengang, keine Dusche, keine Badewanne, kein Waschbecken, mehr hat sie nicht. Die von ihr gefertigten Textilien kann sie sich gar nicht leisten. 50$ muss sie für die Miete und den Strom aufbringen und das bei einem bescheidenen Monatslohn von nur 130$ bei einer 7 Tage Woche á 10 Arbeitsstunden. Lediglich an den Sonntagen sind es nur 8 Stunden. Eines der Blusenmodelle, das über ihre Nähmaschine läuft, kostet vor Ort im Mango Shop 30$. Unerschwinglicher Luxus für all die, die sie täglich bis zum Umfallen nähen müssen.
Wie schwer die Arbeit ist, erfahren die skandinavischen Blogger dann ab Tag 2. 10 Stunden stupides akkordartiges nähen ein und derselben Naht. Wer zu langsam wird, kriegt nicht nur Druck vom Chef, sondern auch Druck von den Kollegen, denn hier handelt es sich im Grunde um Fließbandarbeit. Wenn ich meine Naht nicht schnell genug nähe, kann die Kollegin nach mir nicht weitermachen, die Quote sinkt und somit auch die Laune. Ergonomische Stühle an der Nähmaschine, ein gutes Raumklima oder regelmäßige Pausen wird man in diesem Teil der Welt vergebens suchen.
Schnell wird Anniken, Frida und Ludwig klar, dass sie daheim ein gutes und eigentlich privilegiertes Leben führen dürfen. Eine gute Schulbildung und das Ergreifen eines guten Jobs sind der jungen Gastgeberin in Kambodscha verwehrt gewesen. Sie musste schon früh arbeiten gehen und der Traum Ärztin zu werden, wird somit auch immer nur ein Traum bleiben.
Eine traurige Bilanz eines Experiments, das am Ende zum Nachdenken anregt und Augen öffnet.
Natürlich ist jedem von uns auch schon vor dem Beitrag klar gewesen, dass ein Großteil der Textilien, die wir ganz selbstverständlich jeder Zeit kaufen können von Menschen gefertigt werden, deren Leben nicht so schön und bequem verläuft, wie das unsere. Es war den Meisten auch vorher schon klar, dass unsere Hemden, Blusen, Röcke und Jeans nicht von fröhlich singenden Frauen in schönen hellen klimatisierten Räumen genäht werden. Es ist auch nicht der erste Artikel, der auf die Arbeitsbedingungen von Näherinnen in Asien aufmerksam macht. Aber vielleicht brauchen wir regelmäßige Aufrüttler, die uns immer wieder daran erinnern, wo unsere heißgeliebten It-pieces eigentlich herkommen.
Ich schreibe aber nicht darüber, damit jeder Leser gerade vor schlechtem Gewissen im Boden versinkt, weil sein angenehmer Arbeitstag nach acht Stunden vorüber ist und er dann in seine Mehrraum-Wohnung fährt und sich ein köstliches und reichhaltiges Mahl zubereitet. Ich möchte nicht, dass sich jemand für unseren westeuropäischen Lebensstandard im Allgemeinen schämt. Mal ehrlich, damit wäre in Asien auch keinem geholfen. Auch nicht mit der Tatsache, dass man die Textilien aus Asien rigoros boykottiert, denn zum einen würden die Näher und Näherinnen dann ihren Job verlieren und zum anderen müssten wir dann wohl mehr oder weniger unter die Nudisten gehen. Wer mag, sollte mal einen Blick auf das „made in …“ in seiner Kleidung schauen, ich wette da wird mehr als nur einmal eine asiatische Herkunft zu Tage kommen. Nein – niemand von uns muss sich wegen dem schlecht fühlen, was er hat und haben kann.
Aber wir sollten das alles zu schätzen wissen!
Und das ist der Grund, warum ich das Experiment der „Aftenposten“ aufgegriffen habe und darüber schreibe. Wir sollten uns bei jedem Kleidungsstück (eigentlich bei allen unseren Gütern) bewusst machen, dass harte Arbeit dahinter steckt. Jedes einzelne Teil eines Designers und dann später einer Modekette, egal in welcher Preiskategorie, war harte Arbeit. Von der Idee über die Skizze, die Stoffauswahl, erster Probemodelle bis hin zum ladentauglichen Endprodukt, ist dieses durch unzählige Hände gegangen und die meisten davon waren nicht weich und wohlgepflegt, sondern rau und schwielig.
Wenn wir uns das viel bewusster machen, dann lernen wir auch Respekt vor dem zu haben, was wir tragen. Und vor allem respektvoll damit umzugehen. Textil will gut und liebevoll behandelt werden und nicht achtlos zu heiß gewaschen und womöglich auch noch ungebügelt sein Dasein fristen. Auf schäbigen und schädigenden Metallbügeln von der Reinigung im Schrank hängend oder achtlos ins Fach geknubbelt. Kleidung will erhalten bleiben. Viele Stoffe brauchen regelmäßig die Hitze eines Bügeleisens um ihre Schönheit präsentieren zu können. Mode ist eben nicht nur Verhüllung, sie ist Arbeit und zwar auch für die Trägerin oder den Träger. Ich empfinde das nicht nur als lebensverlängernde Maßnahme für meine Lieblingstücke, sondern auch als Anerkennung und Würdigung des Herstellungsprozesses.
Ein Outfit nur einmal zu tragen und/oder nach nur einer Saison achtlos wegzuwerfen empfinde ich persönlich als Affront an all diejenigen, die dafür geschuftet haben. Wer seine Kleidung in Ehren hält, sie gut behandelt, der hat nicht nur lange etwas davon, der ehrt auch den Schweiß, der dafür geflossen ist. Das soll nicht heißen, dass jetzt jeder seine Shirts und Jeans tragen soll, bis diese auseinander fallen, ich möchte vielmehr dafür sensibilisieren, dass noch gute Sachen einen dankbaren Abnehmer finden. Sei es nun per Second Hand Verkauf oder per Kleiderspende oder per Weitergabe an eine liebe Freundin. Was uns nicht mehr passt oder gefällt, kann für andere noch der Himmel auf Erden sein und ist eine respektvolle Geste in Richtung all derjenigen, die an der Herstellung beteiligt sind.
Vielleicht ist es der jungen Frau aus Kambodscha egal, ob ich meinen neuen Pullover aus dem Sale bei Mango liebe oder nicht. Sie hat wieder und wieder diese eine Naht genäht um sich das Dach über dem Kopf und den Reis auf dem Teller zu ermöglichen, aber vielleicht wäre da auch ein Hauch von Stolz in ihr, wenn sie sehen könnte, wie achtsam gefaltet er ordentlich in meinem Schrank liegt und wie gerne ich ihn trage. Und ich würde ihr gerne dafür Danke sagen, dass sie Tag für Tag unter schlechten Bedingungen und zu einem Hungerlohn meine Kleidung näht.
Alle Videos mit englischem Untertitel findet Ihr bei Aftenposten.